Nanotechnologie im Lebensmittelbereich

In der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) ist seit dem 13. Dezember 2014 eine Kennzeichnungspflicht für Nanoteilchen in Lebensmitteln festgelegt. Zutaten in zusammengesetzten Lebensmitteln, die „technisches“ bzw. „absichtlich hergestelltes“ Nanomaterial enthalten, sind entsprechend zu kennzeichnen (Ergänzung des Namens der Zutat durch die Silbe „Nano“). Allerdings fehlt in der LMIV eine eindeutige Definition für technisch hergestelltes Nanomaterial und die Kennzeichnungspflicht gilt auch nicht für Nanomaterialien als Bestandteil von Lebensmittelverpackungen.
Unter dem Begriff „Nanopartikel in Lebensmitteln“ sind nicht die natürlichen organischen Nanopartikel zu verstehen. So entstehen beim Homogenisieren der Milch Partikel, die kleiner als 100 nm sein können, aber nicht unter die Kennzeichnungspflicht fallen. Auch Emulsionen wie Mayonnaisen oder Dressings können von Natur aus winzige Fettkügelchen im Nanobereich enthalten. Nach den derzeit vorliegenden Informationen spielt technisches oder absichtlich hergestelltes Nanomaterial im Lebensmittelbereich eine offensichtlich sehr geringe Rolle. Für den (potenziellen) Einsatz von Nanomaterialien sind nachstehend einige Beispiele gegeben:
- Siliziumdioxid oder Kieselsäure (E 551) und andere siliziumhaltige Verbindungen sollen als Rieselhilfe oder als Verdickungsmittel das Zusammenbacken von Kochsalzkristallen und pulverförmigen Lebensmitteln verhindern und Ketchup bessere Fließeigenschaften verleihen. Kieselsäure wird auch als Flockungsmittel in der Wein- und Fruchtsaftherstellung genutzt. Ob Kieselsäure tatsächlich als Nanomaterial eingesetzt wird, ist bislang nicht klar.
- Nanomaterialien sollen auch gezielt als Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden. Berichtet wird über den Einsatz von anorganischen Materialien wie Siliziumdioxid, kolloidalem Silber, Kalzium und Magnesium in Nanopartikelform. Ob diese Stoffe allerdings im Lebensmittel als Nanopartikel oder in einer zusammengeballten Form vorliegen, ist unklar.
- Die Lebensmittelindustrie entwickelt derzeit funktionelle Lebensmittel, in denen Vitamine, Omega-3-Fettsäuren, Phytosterole und Aromen in Nanokapseln aus organischen Materialien, etwa in Liposomen, eingeschlossen werden, um sie dann im Körper gezielt freizusetzen.
- Die Herstellung fettreduzierter Lebensmittel wie Mayonnaisen oder Salatdressings ist mithilfe der Nanotechnologie möglich. Zur Erzielung des gleichen Geschmacks ist deutlich weniger Fett erforderlich, da mit der größeren Gesamtoberfläche der Partikel ein intensiverer Kontakt mit den Geschmackssinneszellen erfolgt.
- Titandioxid (E 171) ist ohne Höchstmengenbeschränkung (quantum satis) für Lebensmittel allgemein zugelassen. E 171 wird insbesondere verwendet für Dragees, Kaugummi und Überzüge. Darüber hinaus ist es zum Färben von Arzneimitteln und Kosmetika zugelassen. Vor allem in Sonnenschutzprodukten ist es weit verbreitet. Als Titanweiß ist es zudem ein wichtiges Pigment in der Malerei. Titandioxid in Nanoform soll bei Schokolade die Fettmigration verhindern, einer der Hauptgründe für Reklamationen. Jüngste Untersuchungen (Tierversuche) weisen allerdings auf gesundheitliche Risiken dieses Zusatzstoffes hin.
- Am häufigsten werden technisch hergestellte Nanopartikel in Verpackungen angewendet. So sind in der EU derzeit Stoffe zur Herstellung einer Siliziumdioxid- Nanobeschichtung auf der inneren Oberfläche von PET-Flaschen zugelassen. Nanosilber ist in der EU allerdings für Lebensmittelverpackungen nicht erlaubt. Der Übergang auf Lebensmittel ist zwar gering, jedoch ist eine Ansammlung der Silberpartikel im Laufe der Jahre im Körper nicht auszuschließen (siehe auch Verordnung (EG) Nr. 1935/2004). Grundsätzlich ist die „Funktionalisierung“ der Oberflächen von Lebensmittelbedarfsgegenständen ein hochinteressanter Bereich (beispielsweise verbesserte Reinigbarkeit oder antibakterielle Ausrüstungen).
QUELLE:
► Auszug aus der Food & Hygiene PRAXIS, Ausgabe 02/2017, S. 16 f., Behr's Verlag