Neuartige Lebensmittel

Neuartige Lebensmittel oder Novel Food unterliegen einer einheitlichen Regelung, die für die Europäische Gemeinschaft (EG) in der Novel-Food-Verordnung vom 27.01.1997 festgelegt ist. Somit wird das Funktionieren des Binnenmarktes der EG sichergestellt und durch einheitliche Sicherheitsprüfungen ein Schutz der öffentlichen Gesundheit gegeben. Bei neuartigen Lebensmitteln handelt es sich um Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die vor Inkrafttreten der Novel-Food-Verordnung nicht oder nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union (EU) zum Verzehr in Verkehr gebracht wurden. Hierunter fallen z. B. Lebensmittel anderer Kulturkreise, exotische Früchte oder Designer Food. Funktionelle Lebensmittel ( Functional Food), die mit bestimmten Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen oder probiotischen Kulturen angereichert werden, um so einen positivem Effekt auf die Gesundheit zu erzielen, fallen hingegen juristisch nicht unter den Begriff Novel Food. Sie sind bislang nicht rechtlich definiert, somit gelten die allgemeinen Rechtsvorschriften.
Anders ist dies bei Lebensmitteln und Lebensmittelzusätzen aus oder mit genetisch veränderten Organismen, wie z. B. Joghurt mit transgenen Lebendkulturen oder transgene Tomaten mit verlängerter Haltbarkeit. Ebenso Lebensmittel und -zutaten, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden, selbst aber keine mehr enthalten, wie z. B. Zucker aus transgenen Zuckerrüben. Sie fallen juristisch ebenfalls nicht mehr unter die Novel-Food-Verordnung, es gibt jedoch eine eigene Verordnung: die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel sowie die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Lebensmitteln müssen neuartige Lebensmittel in der EU zugelassen werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Diese Vorschriften sind in der Novel-Food-Verordnung geregelt. So müssen neuartige Lebensmittel z. B. ein Zulassungsverfahren durchlaufen, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit sicherzustellen. Ebenso sind besondere Kennzeichnungspflichten festgelegt. 2.9.2 Novel Food Verordnung Die Novel-Food-Verordnung trägt die (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und ist vom 27. Januar 1997. Novel Food im Sinne dieser Verordnung sind neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.
Erlassen haben diese Verordnung das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union, gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Hauptgründe für diese Verordnung sind das Funktionieren des gemeinsamen Marktes, der Schutz der öffentlichen Gesundheit und die Information des Verbrauchers. In Art. 1 Novel-Food-Verordnung ist der Anwendungsbereich dieser Verordnung, das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel und neuartiger Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft, geregelt. Dabei handelt es sich laut Abs. 2 um Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die unter nachstehende Gruppen von Erzeugnissen fallen:
Lebensmittel und Lebensmittelzutaten,
- mit neuer oder gezielt modifizierter primärer Molekularstruktur,
- die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert worden sind,
- die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, und aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten, außer Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können,
- bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Veränderung ihrer Zusammensetzung oder der Struktur der Lebensmittel oder der Lebensmittelzutaten bewirkt hat, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt.
Genehmigungsverfahren
Bevor ein neuartiges Lebensmittel nach Art. 1 Abs. 2 der Novel-Food-Verordnung in Verkehr gebracht werden darf, ist ein Genehmigungsantrag nach Art. 4 dieser Verordnung zu stellen. Es wird empfohlen, diesen Antrag nach der Empfehlung der Kommission 97/618/ EG aufzubauen. Demnach sind alle Antragsunterlagen sowie Belege und Untersuchungsergebnisse zusammenzufassen und an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft, in dem das Erzeugnis erstmals in Verkehr gebracht werden soll (in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL), zu senden. Die beizufügenden Belege sollen bestätigen, dass das Erzeugnis keine Gefahr für den Verbraucher darstellt, diesen nicht irreführt und darüber, dass ein Ersatz herkömmlicher Lebensmittel bzw. -zutaten durch das in Verkehr zu bringende Erzeugnis bei normalem Verzehr keine Ernährungsmängel mit sich bringt. Ebenso ist ein Vorschlag für die Aufmachung und Etikettierung sowie eine Zusammenfassung des Dossiers einzureichen.
Nachdem der Antrag eingereicht wurde, hat die zuständige Erstprüfstelle innerhalb von 3 Monaten einen Bericht über die Erstprüfung zu verfassen und an die entsprechenden Mitgliedstaaten zu senden. Diese wiederum haben innerhalb einer Frist von 60 Tagen die Möglichkeit Bemerkungen hinzuzufügen oder begründete Einwände gegen das Inverkehrbringen zu äußern. Im Anschluss daran kommt es in der Regel zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Genehmigung des Inverkehrbringens des neuartigen Lebensmittels bzw. der neuartigen Lebensmittelzutat mit entsprechenden Vorschriften über Bedingungen für die Verwendung, Angaben zur Bezeichnung, Merkmale, die eingehalten werden müssen, sowie Etikettierungsanforderungen.
Vereinfachtes Notifizierungsverfahren
Neben dem eigentlichen Genehmigungsverfahren gibt es ein weiteres Verfahren, um die Genehmigung des Inverkehrbringens eines neuartigen Lebensmittels bzw. einer neuartigen Lebensmittelzutat zu erhalten. Dieses vereinfachte Notifizierungsverfahren bietet die Möglichkeit Anträge zu vereinfachen und Wartezeiten zu verkürzen. Zu beantragen ist dieses Verfahren bei der zuständigen nationalen Behörde nach Art. 3 Abs. 4 Novel-Food- Verordnung. Es beruht im Grunde auf Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit. Somit betrifft es neuartige Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die den bereits bestehenden bezüglich ihrer Zusammensetzung, des Nährwertes, des Stoffwechsels, des Verwendungszweckes und des Gehaltes an unerwünschten Stoffen im Wesentlichen gleichwertig sind. Eine weitere Einschränkung zum Anwendungsbereich dieses Verfahrens ist, dass die zuzulassenden Erzeugnisse neuartige Lebensmittel bzw. -zutaten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und e sind. Des Weiteren sind dem Antrag neben administrativen und technischen Daten, wie Name und Adresse von Antragsteller und Hersteller und eine Beschreibung des Herstellungsprozesses, auch Angaben zur Identifizierung des Produktes (Handelsname und Produktbeschreibung) beizufügen. Wie beim herkömmlichen Genehmigungsverfahren muss vor dem ersten Inverkehrbringen eine Notifizierung nach Art. 5 der Novel-Food-Verordnung erfolgen.
Kennzeichnung
Laut Art. 8 Abs. 1 der Novel-Food-Verordnung sind unbeschadet der übrigen Anforderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für die Etikettierung von Lebensmitteln spezifische Etikettierungsanforderungen für neuartige Lebensmittel und -zusätze geltend. Gefordert werden zur Unterrichtung der Endverbraucher u. a. alle Merkmale oder Ernährungseigenschaften, wie Zusammensetzung, Nährwert und Verwendungszweck, die das neuartige Erzeugnis vom bestehenden unterscheidet (nach Buchst. a). Des Weiteren sind vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen Lebensmitteln nicht vorhanden sind und die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen beeinflussen können (Buchst. b) bzw. gegen die ethische Vorbehalte bestehen (Buchst. c), zu kennzeichnen. Sind keine gleichwertigen Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten vorhanden, so werden nach Art. 8 Abs. 2 Novel-Food-Verordnung gegebenenfalls geeignete Bestimmungen erlassen.
► aus Moderne Lebensmittelchemie B. Behr‘s Verlag
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