Fischvergiftungen
Ciguatera-Vergiftungen nehmen zu ‒ Botulismus sehr selten

Was sind Ciguatoxin und Ciguatera?
Vor allem in tropischen und subtropischen Ländern können Fische und Schalentiere marine Biotoxine enthalten. Zu diesen Toxinen gehört auch das Ciguatoxin und eine Lebensmittelvergiftung nach Aufnahme dieses Toxins wird als „Ciguatera“ bezeichnet.
Die Erkrankung geht mit einer großen Vielzahl klinischer Symptome einher, zu denen Magen-Darm- und neurologische Störungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören. Auch ein umgekehrtes Heiß-Kalt-Empfinden („Parästhesien“), Muskel- und Gelenkschmerzen sind typische Symptome, die über mehrere Monate anhalten können.
Zunahme der Ciguatera-Fischvergiftungen in Europa
Waren die Ciguatera-Fälle bisher auf bestimmte Regionen der Welt begrenzt, so werden seit einigen Jahren auch in Europa vermehrt Ciguatera-Fälle beobachtet, insbesondere auf den spanischen und portugiesischen Atlantikinseln (Kanarische Inseln und Madeira). Auch in Deutschland gab es seit 2012 jedes Jahr mindestens einen Ciguatera-Ausbruch mit bis zu 20 betroffenen Personen. Der weltweite Handel mit importiertem Fisch bedingt offensichtlich ein zunehmendes Auftreten von Ciguatoxin Vergiftungen. Die gemeldeten Erkrankungen sind durch den Verzehr von belasteten tropischen Raubfischen wie verschiedenen Snapper-Arten ausgelöst worden. Dazu gehören beispielsweise Lutjanus bohar (Doppelfleckschnapper), Lutjanus argentimaculatus, Lutjanus erythropterus (Purpurschnapper) oder Pinjalo pinjalo.
Warum können bestimmte Fischprodukte ein Risiko darstellen?
Aufgrund des verbreiteten Vorkommens von C. botulinum kann die natürliche Belastung von Fischen und anderen Lebensmitteln nicht vollständig vermieden werden. Daher muss bei der Verarbeitung und Lagerung sorgfältig und hygienisch gearbeitet werden, sodass eine Vermehrung der Keime und die Bildung des Toxins verhindert werden. Grundsätzlich ist das Botulismus-Risiko von frischem Fisch äußerst gering. Bei Anwendung von Konservierungsverfahren wie Salzen, Räuchern oder Marinieren können sich Clostridien aber gegebenenfalls dann vermehren, wenn die Verfahren in „milder Form“ angewandt und nur niedrige Salz-und Rauch- bzw. hohe Feuchtigkeitsgehalte erreicht werden. Frische Fischprodukte können daher aufgrund
- der primären Kontamination mit Sporen von C. botulinum,
- der häufig verwendeten luftdichten Verpackung (Vakuumverpackung),
- des Verzichts auf Konservierungsstoffe und
- des Verzichts einer Hitzeinaktivierung von bereits gebildetem Botulinum-Toxin
eine Gefährdung für die Entstehung eines Botulismus darstellen. Typischerweise wird bei dem durch Fischverzehr verursachten Botulismus C. botulinum Typ E nachgewiesen.
Im Mai 2017 hat das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium eindringlich vor dem Verzehr von Trockenfisch mit der Produktbezeichnung „Plötze (Rutilus rutilus) ausgenommen, getrocknet und gesalzen“ gewarnt. Die Plötze ist ein Fisch aus der Familie der Karpfenfische (Cyprinidae). Rotaugen sind vor allem in Osteuropa als Speisefisch bedeutend, und der Vertrieb erfolgt insbesondere in russischen Einkaufsmärkten. Nach Aussage des Ministeriums bestand die Gefahr, dass durch das Essen des Trockenfisches beim Menschen die lebensbedrohliche Vergiftung Botulismus ausgelöst wird.
Die Behörden waren auf den Fall aufmerksam geworden, weil ein Mann in Damme im Landkreis Vechta Ende April mit Verdacht auf Botulismus ins Krankenhaus gekommen war. Bei dem Patienten sowie in Fischresten wurde schließlich Botulinum-Toxin nachgewiesen, wie das RKI bestätigt hat.
Botulismus und teilweise schon der Verdacht auf Botulismus beim Menschen sind in Deutschland nach § 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) meldepflichtig. In Deutschland werden dem RKI jährlich bis zu 20 Fälle gemeldet (bezogen auf alle Lebensmittel). Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate ist der Botulismus jedoch ein ernst zu nehmendes gesundheitliches und lebensmittelhygienisches Problem.
QUELLEN:
► Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 04. Mai 2017: Botulismusgefahr und Warnung vor dem Verzehr von Plötze-Trockenfisch
► BfR: Fragen und Antworten vom 23. Januar 2015 zu Botulismus
► EFSA vom 07. Juni 2010: www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/1627
► FAO: Ciguatera Fish Poisoning (CFP)
► BfR: Suchpunkt Ciguatoxin
► RKI: Fallbeispiele zu Botulismus
Prof. Dr. Walther Heeschen, Jan Peter Heeschen